Klosterplatz in Einsiedeln: «Nicht ich habe verloren, sondern alle Menschen mit Behinderungen»

«Nicht ich habe vor dem Bundesgericht verloren, sondern alle Menschen mit Behinderungen», sagt Werner Ruch gegenüber kath.ch. Er akzeptiere selbstverständlich das Urteil des Bundesgerichts. Gleichwohl kann er den Entscheid des Bundesgerichts nicht nachvollziehen.

Gericht: Bisherige Benachteiligungen verringert

«Denn Tausende von Pilgerinnen und Pilger kommen jährlich nach Einsiedeln – und nicht wenige darunter sind gehbehindert. Das Kloster und der Denkmalschutz werden schon sehen, dass viele Menschen künftig nur schwer über den Klosterplatz gehen können», ist der Rollstuhlfahrer überzeugt.

Für das Schweizerische Bundesgericht in Lausanne war es plausibel, dass die neue Gestaltung des Einsiedler Klosterplatzes bisherige Benachteiligungen für handicapierte Personen verringere.

Sand verfugt oder gemörtelt?

Worum geht es? Seit Jahren herrscht ein Streit darüber, ob der Klosterplatz vor der Stiftskirche rund um den Marienbrunnen mit geschnittenen, geschliffenen und mörtelverfugten Flusskieseln gepflästert wird, die für gehbehinderte Menschen und Rollstuhlfahrer leicht begehbar sind. Oder ob das riesige Rund mit unbehauenen sandverfugten und holprigen Pflastersteinen bedeckt wird.

Der Bezirk Einsiedeln, dem die untere Hälfte des Klosterplatzes gehört, hatte ursprünglich die Variante mit behindertengerechten, geschliffenen Flusskieseln bevorzugt. Das Kloster Einsiedeln, dem der obere Teil des Klosterplatzes gehört, und vor allem der kantonale Denkmalschutz favorisierten die ungeschliffene, historisch authentischere Pflastervariante.

Dem Petersplatz in Rom nachempfunden

Der Klosterplatz in Einsiedeln ist nicht irgendein Platz. Einsiedeln ist der meistbesuchte Wallfahrtsort der Schweiz und der Klosterplatz Einsiedeln der bedeutendste sakrale Platz nördlich der Alpen. Er ist nach dem Petersplatz in Rom, dem er nachempfunden wurde, der zweitgrösste und -wichtigste Kirchenvorplatz Europas.

Seit 2007 arbeiten Bezirk und Kloster gemeinsam am Ziel einer Neugestaltung des Klosterplatzes. Bis auf den «Platz im Platz», dem eigentlichen Klosterplatz, ist in den vergangenen Jahren die öffentliche Fläche ums Kloster längst saniert worden. Dabei wurden unmittelbar vor der Nordfassade bereits Bahnen mit geschliffenen Flusskieseln verbaut, um Gehbehinderten und Rollstuhlfahrern den barrierefreien Zugang zur Stiftskirche zu ermöglichen.

Die Behindertenvereinigung Procap und Rollstuhlfahrer Werner Ruch mit seiner IG Hindernisfreier Klosterplatz forderten deshalb seit Jahren auch einen barrierefreien «Klosterplatz für alle».

Baustopp 2019: Ein zunehmend heisses Pflaster

Doch am 18. September 2019 erliess das kantonale Bildungsdepartement im Sinne einer vorsorglichen Massnahme einen Baustopp. Auf Kritik war vor allem bei der Denkmalpflege die Gestaltung des Platzes in Form einer gebundenen und geschnittenen Pflästerung gestossen, wie sie der Bezirk Einsiedeln behindertengerecht geplant hatte.

Dem Gutachten der Schweizer Fachstelle «Hindernisfreie Architektur» stand ein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission gegenüber, welches unter anderem eine ungebundene Ausführung forderte, also Sand anstelle von Mörtel. Aber – in Berücksichtigung der Interessen von behinderten Menschen – wurde ein modifizierter Entwurf skizziert.

Der Bezirk lenkte schliesslich ein. Mittels Vergleich wurde der Streit im Juni 2021 beendet. Dem bewilligten Kompromiss-Bauantrag von Kloster und Bezirk 2022 gab schliesslich das kantonale Verwaltungsgericht statt, indem es 2023 eine Beschwerde ablehnte. Vier Beschwerden waren damals auf die Baubewilligung des Bezirks beim Schwyzer Regierungsrat eingereicht worden.

Sternförmige, hindernisfreie Wege

Besagte Kompromisslösung sieht nun eine Pflästerung mit eckigen, sandverfugten holprigen Pflastersteinen vor. Dazwischen gibt es in sternförmiger Anordnung mehrere zwei Meter breite Bahnen für gehbehinderte Personen und Rollstuhlfahrer. Diese lassen ein Zirkulieren um den Marienbrunnen und den Platz sowie auch ein Kreuzen von Rollstuhlfahrenden zu.

Hinzu kommen fünf weitere, sternförmig angelegte hindernisfreie Wege von einem Meter Breite, die zum Marienbrunnen führen. Diese hindernisfreien Wege werden mit ovalen Flusskieseln in Reihenpflästerung geschnitten, geflammt und gebunden ausgeführt.

Sie entsprechen damit den bereits vom Kloster realisierten hindernisfreien Wegen vor der Klosterkirche und in den Abteihof. Die Procap Bauberatung Kanton Schwyz für hindernisfreies Bauen erhob gegen die vorgeschlagene Ausführung keine Einwände.

Jahrelang gekämpft und Spenden gesammelt

Für Werner Ruch, der seit Jahren leidenschaftlich mit grossem Engagement für einen hindernisfreien Klosterplatz kämpfte und Tausende von Franken an Spenden sammelte, war dieser Kompromiss indes nicht ausreichend. Er sah sich diskriminiert.

Für ihn ist und bleibt der Klosterplatz grundsätzlich ein öffentlicher Platz, der dementsprechend auch zu hundert Prozent hindernisfrei sein sollte. Deshalb zog er vergangenes Jahr seine Beschwerde noch vor das Bundesgericht in Lausanne. Ohne Erfolg. «Gerichtskosten muss ich wenigstens keine tragen», sagt Ruch. (kath.ch)