Bischof Gmür und Priorin Gassmann fordern in Rom Gleichberechtigung

Wenn nicht-geweihte Männer an der Amazonas-Synode abstimmen, dann sollen dies auch Ordensfrauen tun dürfen, fordert der Basler Bischof Felix Gmür. Er nahm an einem Presseauftritt der katholischen Initiative «Voices of faith» am Donnerstag in Rom teil.

Einleitend erklärte der Bischof in seinem Votum, dass die Kirche nicht im Gestern, sondern im Heute lebe. Beim Dienst, den Menschen für die Kirche leisteten, komme es nicht darauf an, ob es ein Mann oder eine Frau sei. Vorrang müsse haben, dass dieser Dienst gut geleitet werde. Es sei nicht die Aufgabe von ihm als Bischof, den Frauen zu sagen, dass sie ihre Stimme erheben sollen. Sie müssten vielmehr selber aktiv werden und ihre Forderungen einbringen. Mit den Worten «ob diese umgesetzt werden können, hängt von vielen Faktoren ab» dämpfte er jedoch allzu grosse Erwartungen von Seiten der Frauen.

Das Predigtverbot

Der Auftritt in Rom war als Gespräch zwischen der Priorin des Klosters Fahr bei Zürich, Irene Gassmann, und dem Bischof gestaltet. Als Moderatorin wirkte die Schweizer Theologin Regula Grünenfelder. Der Medienauftritt wurde weltweit von «Voices of faith» als «live stream» in vier Sprachen ausgestrahlt.

«Die Kirche hat den Schatz der Sakramente.» Irene Gassmann

Grünenfelder erkundigte sich, warum Frauen im Bistum Basel predigen dürften. Der Bischof erklärte, ohne auf die aktuelle Situation einzugehen, seine Vorgänger hätten dies eingeführt. Dann ergänzte er, Frauen dürften nicht predigen, nicht weil sie Frauen seien, sondern weil sie nicht Priester seien.

In der Schweiz gibt es eine Sonderregelung. Im Dokument «Beauftragte Laien im kirchlichen Dienst», das die Schweizer Bischöfe im Januar 2005 veröffentlichten, heisst es zur Predigt durch Laien: «Wir bitten alle Betroffenen eindringlich, unsere Erlaubnisse nicht extensiv zu handhaben und daraus kein eigentliches Predigtrecht der Pastoralassistenten und -assistentinnen abzuleiten, ein Recht, welches ihnen nicht zukommt.»

Frauen sollen Sakramente erteilen

Die Priorin des Benediktinerinnen-Klosters Fahr zeigte sich in Rom davon überzeugt, dass die Kirche bewährte Frauen mit dem Erteilen von Sakramenten beauftragen könnte. Die Ordensfrau nannte als Beispiele die Krankensalbung und das Sakrament der Versöhnung.

Sakramente seien ein wesentlicher Teil der Kirche. In den Sakramenten verberge sich mehr, als sichtbar sei. «Die Kirche hat den Schatz der Sakramente. Wenn niemand diese spenden kann, dann geht er unter», betonte Gassmann und verwies so indirekt auf den Rückgang an Priesterberufungen auch in der Schweiz. Ein Bischof könnte einer kirchlich bewährten Frau die Erlaubnis für das Spenden eines klar definierten Sakraments durchaus erteilen, sagte Gassmann weiter.

Gleichberechtigung als Selbstverständnis

Die Kirche brauche eine neue «Sakramentenpastoral», erklärte die Priorin weiter. Dies sei notwendig im Hinblick auf eine frauengerechte Kirche, einer Kirche, in der Gleichberechtigung
herrsche. In den Worten des Bischofs heisst dies: «Bei allem, was man entscheidet, muss geprüft werden, ob die Frauen vergessen wurden.»

In seinem Bistum sei Gleichberechtigung bereits ein Selbstverständnis, in der Kirche Schweiz bestehe diesbezüglich aber grosser Handlungsbedarf. «Darum gibt es viele Frustrationen.» Seiner Ansicht nach sind gemischte Teams in den Pfarrei am besten geeignet, um das Evangelium weiterzugeben.

Theologen sind herausgefordert

Die Kirche verfüge über genügend hervorragende Theologen, um etwa die Fragen zur Sakramentenpastoral oder Gleichberechtigung anzugehen und Lösungen zu finden. Gefordert seien besonders auch die Wissenschaftler an den theologischen Fakultäten der Schweiz. Schweizer Theologen könnten Impulse für die Weltkirche geben. Die Lösungen müssten aber kompatibel mit der Einheit der Kirche und – als ökumenische Vorgabe des Bischofs –  mit den Schwesterkirchen sein, warnte Gmür.

An der Veranstaltung von «Voices of faith» kündigte die Benediktinerin die Lancierung einer «Junia-Initiative» an, welche die Sache der Frau in der Kirche voranbringen soll.

Vatikan scheute den Auftritt

Im Vorfeld der Amazonas-Synode, die am 6. Oktober im Vatikan beginnt, hatte die katholische Initiative «Voices of faith» in Rom zum Medienanlass eingeladen. Die Organisation will die Situation der Frau in der kirchlichen Hierarchie verbessern.

Die Organisatoren bedauerten, dass führende Vertreter des Vatikans die Einladung zur Pressekonferenz ausgeschlagen hätten. Sie begrüssten hingegen die «grosse Delegation aus der Schweiz», die nach Rom reiste. Die Priorin von Fahr war mit sieben Mitschwestern und weiteren Ordensfrauen zur Veranstaltung von «Voices of faith» gereist.

«Ein Missbrauch ist es, die Stimmen der Frauen zum Schweigen zu bringen.» Madeleine Fredell

«Voices of faith» fordert eine Stimmberechtigung für die Ordensfrauen an Bischofssynoden. Am Medienauftritt von Donnerstag nahmen neben der Vertretung aus der Schweiz Ordensfrauen aus den USA, Schweden, Senegal und weiteren Ländern teil.

Die schwedische Dominikanerin Madeleine Fredell bedauerte Rückschläge in der Kirche wegen eines neu gewachsenen Zentralismus und Klerikalismus. «Ein Missbrauch ist es auch, die Stimmen der Frauen zum Schweigen zu bringen», erklärte sie und forderte, dass Frauen in der Kirche predigen dürfen.

Anne Béatrice Faye, die den «Soeurs de Notre Dame de l’Immaculée Conception de Castres» in Senegal angehört, bezeichnete die Frauen als «tragende Säule der Kirche in Afrika» und auch als die «tragende Kraft der Evangelisierung». Ohne die Frauen würde es die Kirche des Friedens und der Versöhnung auf dem Kontinent nicht geben. Die Kirche müsse den Frauen auf dem Kontinent die entsprechende Ausbildung geben, «damit sie sich durchsetzen können».

Die Pressekonferenz wurde in vier Sprachen weltweit über «live stream» übertragen.  Der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, Felix Gmür, nimmt am 21. und 22. Oktober an der Amazonas-Synode im Vatikan teil. (gs)

 

«Ziel muss Gleichberechtigung in allen Ämtern sein»

Vor der Amazonas-Synode fordert Irene Gassmann (54), Priorin des Benediktinerinnenklosters Fahr, ein Stimmrecht für Frauen bei Bischofssynoden. Im Interview mit kath.ch sagt sie, was sich ihrer Meinung nach sonst noch in der katholischen Kirche ändern sollte.

Stefanie Stahlhofen: Priorin Irene Gassmann, Sie sind mit einem konkreten Anliegen nach Rom gereist, einem Stimmrecht für Frauen bei der am Sonntag beginnenden Amazonas-Synode. Warum?

Irene Gassmann: Vor einem Jahr bei der Jugendsynode haben verschiedene Bischöfe und Kardinäle – etwa unser Weihbischof Alain de Raemy oder Kardinal Reinhard Marx – gesagt, es wäre sehr wichtig, dass in einem ersten Schritt Ordensfrauen mitbestimmen könnten. In diesem Jahr hat sich in diese Richtung jedoch gar nichts getan. Es ist höchste Zeit. Solange Männer in der Kirche einen höheren Status haben als Frauen und wir Frauen auf sie angewiesen sind, wenn wir Sakramente empfangen wollen, gibt es ein Machtgefüge von oben und unten. Unsere Kirche ist in einer Krise. Sie ist krank. Missbräuche lassen sich so nicht völlig verhindern, aber wohl verringern. Das Ziel muss Gleichberechtigung in allen Diensten und Ämtern sein.

Ihr Konvent steht hinter Ihnen. Wie ist der Rückhalt sonst?

Gassmann: Ich merke, dass es Zeit braucht. Ich denke, jemand muss den ersten Schritt tun. Wie es weltweit aussieht, dazu habe ich bisher keinen Überblick. Aber an unserem Donnerstagsgebet beteiligen sich Ordensfrauen aus verschiedenen Kontinenten. Es ist unglaublich, was da in den letzten Monaten entstanden ist, auch mit der Aktion Maria 2.0 in Deutschland. Als Fortsetzung nehmen viele Gemeinden das Donnerstagsgebet in ihr Programm auf. Da bewegt sich etwas. Menschen versammeln sich zum Beten, das ermutigt auch, zu sprechen.

Als Argument gegen ein Stimmrecht von Frauen wird oft gesagt, dass es eben eine Bischofssynode sei. Was sagen Sie dazu?

Gassmann: Mit der neuen Synodenordnung hat Papst Franziskus das geöffnet. Bei den letzten Synoden waren auch Ordensobere dabei und bei der Jugendsynode zwei Brüder. Da stellt sich die Frage: Was unterscheidet kirchenrechtlich einen Ordensbruder von einer Ordensschwester Da geht es nur um das biologische Geschlecht. Das muss immer wieder sichtbar gemacht werden. Einerseits geht es um Geschlechtergerechtigkeit, aber andererseits vergibt sich die Kirche auch ein enormes Potenzial. Frauen, Ordensfrauen haben sehr viel Erfahrung in der Pastoral, Theologie, Bildung. Wenn man das einfach aussen vor lässt, fehlt der Kirche ganz viel. Es geht um ein grosses Potenzial das die Kirche nicht nutzt.

Papst Franziskus betont den Wert von Frauen für die Kirche; er hat mehr Frauen in Führungspositionen gebracht. Wie erklären Sie sich, dass weitere Änderungen auf sich warten lassen?

Gassmann: Ich denke, wenn die Frauen ruhig sind, passiert im Moment nichts weiter. Die Synode ist ein Anlass, darauf aufmerksam zu machen Wir sind vor der Synode präsent und haben ein Cape und einen Überwurf mit der Aufschrift «Overcoming silence» und «Votes for catholic women». Es gibt auch die Internetseite Kirche-mit.ch, eine Plattform für Erfahrungen mit der Kirche. Sie ist eine Art Klagemauer, aber auch ein Ort für Erfahrungen mit Gottesdiensten, Gebeten, Liturgie. Da hat sehr viel Platz. So können wir auch auf einem sanfteren und dennoch entschiedenen Weg dran bleiben. Viele Menschen in der Schweiz haben es satt. Sie mögen einfach nicht mehr. Ich finde ganz wichtig, dass wir auch einen langen Atem haben: Schritt für Schritt vorwärts gehen, Ausdauer haben, nicht aufgeben und sich nicht entmutigen lassen. (cic)

Priorin Irene Gassmann weilt derweit in Rom. Sie ist Rednerin an der Veranstaltung mit dem Titel «Und Sie, Schwester – was sagen Sie?» der Initiative «Voices of faith». Die Konferenz, an der auch Bischof Felix Gmür teilnimmt, setzt sich für das Frauenstimmrecht an Bischofssynoden ein. Sie kann am Donnerstag ab 11.30 Uhr via Livestream mitverfolgt werden.