Jugend

Dunkelnacht

Niemand bleibt ohne Schuld

Deutscher Jugendbuchpreis 2022
Diese sehr eindrucksvolle Novelle erinnert an ein sogenanntes «Endzeitverbrechen»: In der bayrischen Kleinstadt Penzberg wurden am 28. April 1945 – die Amerikaner standen vor der Stadt – 16 Männer und Frauen wegen «Hochverrats» getötet. Hintergrund dieser Morde war der vereitelte Versuch dieser Gruppe sozialdemokratisch gesinnter Menschen, das Rathaus zu übernehmen und so eine friedliche Übergabe der Stadt an die Amerikaner vorzubereiten.

Realität vermengt mit fiktiven Charakteren
Auf gerade einmal hundert Seiten erzählt Kirsten Boie in «Dunkelnacht» von anderthalb hochdramatischen Tagen. Drei Jugendliche suchen in der Umbruchsituation zwischen Krieg und Frieden ihren Weg durch das Chaos.

Gustl, ein ideologisch verbohrter «Werwolf» voller Hass auf alle, die dem Endsieg in die Quere kommen könnten. Schorsch, Sohn des Polizeimeisters, der seinem Vater helfen soll, verräterische Akten zu vernichten und in Marie verliebt ist. Und Marie, Tochter des Metzgers, der die demokratisch gesinnten Männer im Rathaus unterstützt und nur durch Zufall dem Tod entgeht.

Kirsten Boie hat die Morde von Penzberg und ihre Vorgeschichte genauestens recherchiert und rekon­struiert. Sie nennt Täter und Opfer beim Namen, hält sich ganz eng an die in den Prozessakten zusammengetragenen Fakten, Vorkommnisse und Aussagen. Die Geschichte von Marie, Schorsch und Gustl ist dagegen frei erfunden. Die drei sind nicht nur notwendige Identifikationsfiguren für junge Leserinnen und Leser, sie bringen mit ihren Ängsten und ihrer Verunsicherung, ihrer Verliebtheit, ihrer Borniertheit, ihrer tiefen Erschütterung und ihrem Mut auch eine persönliche Perspektive in die historische Handlung. Minutiös wird in «Dunkelnacht» der Verlauf der anderthalb Tage geschildert; tagebuchartig ist jedes kleine Kapitel mit Ort, Datum, Uhrzeit und den anwesenden Personen überschrieben. Kein Satz ist zu viel, wie atemlos, drängend und immer spannender läuft die Zeit ab.

Link zum Audiofile der Buchkritik von Sylvia Schwab: https://www.deutschlandfunkkultur.de/kirsten-boie-dunkelnacht-niemand-bleibt-ohne-schuld-100.html