Anders handeln

Gedanken zum Sonntag: 16. Dezember, 3. Adventssonntag (Lukas 3,10-18))

 

Am letzten Sonntagvormittag kommt ein Gottesdienstbesucher zur Kirchenrätin und fragt: „Kannst du diesem Bettler, der vor der Kirche musiziert, nicht sagen, dass er weggehen soll?“ Wie soll sie reagieren? Könnten die Texte aus der Bibel zum heutigen Sonntag eine Perspektive eröffnen?

Johannes der Täufer, so die Geschichte aus dem heutigen Lukasevangelium, fasziniert die Menschen. Diese sind auf der Suche nach einem Messias, der diese Welt in Ordnung bringt – politisch und auch religiös. Diesen Wunsch spricht Johannes mit seinen Worten an und so kommen ganz unterschiedliche Menschen zu ihm und fragen: „Was sollen wir tun?“

Da sind ganz einfache Menschen, die etwas Weniges besitzen, aber auch Zöllner, die häufig mehr nehmen als erlaubt ist, und Soldaten, die die Gewalt des Staates zu ihren Gunsten ausnützen. Die Antwort von Johannes an alle heisst „Teilen!“. Und weil er die Menschen und ihren Alltag kennt, erläutert er, was dies in den unterschiedlichen Lebensumständen heisst. So sagt er dem einfachen Menschen mit wenig Besitz: Teile, wo Du etwas doppelt hast. Dem Zöllner rät er, ehrlich mit den Menschen zu sein und dem Soldaten, seine Gewalt nicht zu missbrauchen.

Damit dies gelingen kann muss man sich zuerst bewusst werden: Wer bin ich und was habe ich? Was besitze ich? Wie mache ich meine Arbeit? Wie gehe ich mit meiner Rolle, mit Macht und Privilegien um? Johannes fordert nicht, alles und einfach zu teilen. Vielmehr stellt er zuerst die Frage, wie viel an Besitz, an Ressourcen und an Macht für mich genug ist. Dann klärt sich, was übermässig ist und ich darum teilen kann. Johannes will, dass uns bewusst wird, dass wir immer etwas teilen können je nach unseren unterschiedlichen Verhältnissen.

Und die Kirchenrätin? Sie wusste, dass ein Wegweisen mit der Aufgabe der Kirche nicht zusammenpasst. Also lud sie den Bettler ein in den Gottesdienst. Und er kam. Später hörte sie, dass ihm jemand nach dem Gottesdienst sagte, nicht mehr zu kommen. Verglichen mit der Forderung des Johannes, gemäss unseren Verhältnissen zu teilen, stellt sich die Frage, ob diese Kirche wirklich angemessen geteilt hat. Natürlich ist mehr möglich: eine Einladung zu einem Kaffee, zum nächsten Gottesdienst oder zum Gespräch und damit der Aufbau einer Beziehung, aber auch materielle oder soziale Unterstützung sind denkbar.

Johannes gibt also keine einfachen Antworten. Viel mehr fordert er: Wer eine bessere Welt sucht, darf das übliche Verhalten, das so gang und gäbe ist, sprengen, darf über seinen und ihren Schatten springen und Nächstenliebe wirklich leben. Denn eine bessere Welt beginnt bei mir selber und wir alle haben etwas zum Teilen.

Thomas Wallimann ist Theologe und Sozialethiker. Er leitet das sozialethische Institut «ethik22» in Zürich.
Christina Sasaki ist Theologin und freie Mitarbeiterin bei «ethik22». Gemeinsam beraten sie auch Kirchgemeinden und Pfarreien.