Bernhard Eckerstorfer: Neues Papst-Schreiben zur Liturgie «bahnbrechend»

Bernhard Eckerstorfer hält das neue Papst-Schreiben «Desiderio desideravi» zur Liturgie für bedeutsam. Es handle sich um ein «bahnbrechendes» Dokument, sagt der Rektor der Päpstlichen Hochschule Sant’Anselmo.

Franziskus liege die missionarische Erneuerung von Glaube und Kirche am Herzen und dafür setze er wesentlich bei der Liturgie als Hauptquelle christlicher Spiritualität an, erklärte Bernhard Eckerstorfer im Interview der Nachrichtenagentur Kathpress vom Freitag. Eckerstorfer ist auch Berater im vatikanischen Gottesdienst-Dikasterium. In diesem Sinn ziele das am Mittwoch veröffentlichte Apostolische Schreiben «ganz ins Zentrum» der Kirche. Der Papst rufe dazu auf, bei der Erneuerung der Kirche aus dem Glaubensschatz zu schöpfen.

Tiefe der Liturgie verloren gegangen

«Der Papst sagt nicht ‘Wo muss sich die Kirche ändern, damit sie den Leuten bedeutender wird’, sondern er sagt: Gehen wir von der Schönheit und Spannung der Liturgie aus», so Eckerstorfer. Ausdrücklich richte Franziskus sein Schreiben zudem nicht nur an Bischöfe oder Priester, sondern an alle Gläubigen. «Es geht um die Erneuerung der Kirche – und die betrifft alle.»

Der Papst leide darunter, dass die Tiefe der Liturgie verloren gegangen sei, Symbole nicht mehr verstanden würden und der Reichtum der Gottesdienstfeier bei vielen Menschen nicht mehr ankomme, so der Ordensmann weiter. Hier brauche es einen neuen Anfang und liturgische Bildung. Franziskus wolle dabei keine andere Liturgie, als sie vorgesehen ist, «sondern ein tieferes Erleben» und eine Liturgie, die schön sei, Gläubige das Mysterium wiederentdecken lasse und sie dadurch forme.

Es braucht «neue liturgische Bewegung»

Dafür gebe der Papst in «Desiderio desideravi» konkrete Anregungen und spreche auch von der Kraft einfacher liturgischer Gesten und Symbolik. So beschreibt Franziskus etwa, wie ein Kind zusammen mit einem Erwachsenen das erste Mal ein Kreuzzeichen macht. «Es macht dieses Kreuzzeichen, versteht noch nicht ganz, was damit verbunden ist, aber wächst in etwas hinein», so Eckerstorfer.

Die konziliare Erneuerung habe nicht damit gerechnet, dass der Verlust des Glaubens und von Glaubenswissen derartig abnehmen würde, sagte der Theologe und Hochschul-Rektor im Gespräch mit Kathpress. «Man hat irgendwie geglaubt, mit der Erneuerung des Ritus ist die Erneuerung der Kirche schon getan.» Jetzt brauche es eine «neue liturgische Bewegung» und der Papst setze dafür beim Zweiten Vatikanischen Konzil an. «Es ist nicht damit getan, einen nachkonziliaren Ritus zu haben und das läuft dann schon von selber, sondern es braucht liturgische Bildung, die wieder ganz tief angreift und das alles aufgreift.»

Weder Anpassung noch Abschottung

Franziskus wolle eine «Erneuerung aus den eigenen Kräften, von Gott her», betonte Eckerstorfer. «Das heisst, er will nicht eine Zeitanpassung, er redet ja immer wieder von Weltlichkeit, er will aber auch nicht, dass sich die Kirche abschottet und nur das konserviert, was bisher gemacht wurde, sondern sie soll im wachen Bewusstsein der heutigen Zeit sich aus den eigenen Quellen erneuern.»

Liturgie soll nicht Spielfeld von Polarisierung sein

In dem neuen Schreiben mahnt der Papst auch zu Einheit in der Liturgie der Kirche. Man könne nicht zu jener rituellen Form zurückkehren, die die Konzilsväter für reformbedürftig gehalten hätten, hält Franziskus fest. Allerdings wolle der Papst mit dem neuen Dokument gerade nicht zu den «Scharmützeln» um die Alte Messe beitragen, so Eckerstorfer. Ein solcher Blick auf das Papstschreiben wäre «schade», ist der Sant’Anselmo-Rektor überzeugt.

«’Desiderio desideravi’ versucht, die Liturgie eben nicht zum Spielfeld von Polarisierung werden zu lassen. Und wie schafft das der Papst? Indem er fundamental ansetzt: Was ist Liturgie, wie kann sie vermittelt werden und dass das ein grossartiges Geschehen ist.»

Mittelweg statt Extreme

Der Papst knüpfe an der Dynamik des Zweiten Vatikanischen Konzils an und wolle, dass die geltenden liturgischen Texte nach dem Zweiten Vaticanum Ausgangspunkt der Erneuerung der Kirche sind. Gleichzeitig sei das Apostolische Schreiben ein «Mittelweg», so Eckerstorfer. «Es ist ein Dokument für die ganze Kirche, wo man sieht, der Papst versucht, Extreme zu vermeiden. Und Extreme wären eben ein Rubrizismus, wo es nur darum geht, alles genau richtig zu machen, oder aber auch eine manchmal wilde Kreativität ohne Regeln. Das zerstört auch die Liturgie.»