Mariasteiner Schriften: Mönche sind anders. Nonnen auch

Das Kloster thront auf einem Felsplateau im Solothurner Leimental. Bei Wanderern und Radfahrerinnen ist die Gegend beliebt. Wer sich mit dem Rennrad von Böttwil-Flüh die Talstrasse hochquält, der ahnt, was Askese ist. Auf etwas mehr als halber Strecke steht, pompös und beeindruckend, die barocke Klosteranlage Mariastein.

Rückblick auf Klostergeschichte

Dieser Tage erscheint mit «Willkommen daheim» der erste Band der «Mariasteiner Schriften». Band eins widmet sich den Veranstaltungen um den 50. Jahrestag der Wiederherstellung des Klosters. Der Jahrestag fiel 2021 mitten in die Coronapandemie. Dennoch organisierte Mariano Tschuor, Projektleiter von «Mariastein 2025», im Gedenkjahr 2021/22 zahlreiche Veranstaltungen.

Der Band beginnt mit einer historischen Einordnung von Mariasteins eigener Geschichte. Zu erfahren ist: Gegründet wird das Benediktinerkloster im Jahr 1100. Im ausgehenden Mittelalter wird es zu einem wichtigen Wallfahrtsort. Laut Legende fiel ein Knabe von einem Felsen bei dem Kloster ins Tal. Die Muttergottes habe ihn aufgefangen und er überlebte den Sturz unbeschadet. Im 15. Jahrhundert errichten die Mönche eine Wallfahrtskapelle. Sie zieht bis heute Pilgernde an. Nach Einsiedeln ist Mariastein das zweitbedeutendste Wallfahrtskloster der Schweiz.

Auflösung und Restitution

Auch später hat Mariastein viel er- und noch mehr überlebt, wie es weiter heisst: die Reformation im 16. und die Säkularisation im frühen 19. Jahrhundert. Ende des Jahrhunderts aber fällt das Kloster dem Kulturkampf zum Opfer. Die neuen Dogmen des Ersten Vatikanums (1870) provozieren den Zorn der liberalen Bürgerschaft. 1874 wird Mariastein zusammen mit anderen Solothurner Gemeinschaften aufgelöst.

Glück im Unglück: Der Wallfahrtsort Mariastein darf weiter bestehen. Und um diesen zu betreuen, bleiben auch mehrere Patres zurück. Der Rest siedelt ins 50 Kilometer entfernte Delle nach Frankreich über. Den Kampf um eine vollständige Wiederherstellung des Klosters geben die Exil-Mönche nie auf. Und sie beweisen einen langen Atem: 1953 befasst sich der Solothurner Kantonsrat erstmals mit der Frage der Restitution des Klosters. Am 21. Juni 1971 wird sie Wirklichkeit.

Benediktinisches Klosterleben

Nach dem historischen Rückblick folgen Vorträge zum «Benediktinischen Leben». Hier sind die Aufsätze von Notker Wolf und Carmen Tatschmurat für Interessierte und Fachleute besonders erkenntnisreich.

Wolfs Ausführungen zu «Benediktinern und Benediktinerinnen in der Welt» betrachtet das grosse Feld von seinen Ursprüngen im 6. Jahrhundert bis zur Gegenwart. In Europa und in der Welt. Da geht es um Nonnen, die Maurerinnen in Vietnam sind, und um Mönche, die Felder bestellen. Spannend erzählt und für jeden etwas dabei.

Kirchenrecht verunmöglicht selbstständiges Nonnenleben

Carmen Tatschmurat ist ehemalige Äbtissin und emeritierte Professorin für Soziologie. Ihr Beitrag diskutiert die zahlreichen Unterschiede, die das Leben von Mönchen und Nonnen bestimmen. Es sind gewichtige Unterschiede, obwohl Männer und Frauen der gleichen Regel folgen. Das Spannungsfeld zwischen Frauenklöstern und Kirchenrecht ist dabei zentral.

Ein Beispiel ist die Krankensalbung. Laut Benediktsregel «wäre es regelkonform, wenn die Äbtissin aus ihren Reihen eine geeignete Schwester für diesen Dienst auswählt» In der Benediktsregel, die ursprünglich für ein Männerkonvent verfasst wurde, ist dies ausdrücklich so vorgesehen. «Da Frauen jedoch keine sakramentale Vollmacht haben», ist dies in Frauenklöstern kirchenrechtlich unmöglich.

Es ist wichtig, zu differenzieren. Tatschmurats Text ist kein Plädoyer für das Frauenpriestertum. Ihr Augenmerk richtet sich ausschliesslich auf den Klosterraum. Aber ihr Artikel zeigt, dass das männerzentrierte Kirchenrecht für die Bräute Jesu hohe Hürden stellt.

Rap, Rosenkranz, Radeln

Die restlichen Teile des Buches sind weniger spezifisch. Die Lesenden erfahren allerlei über die Jubiläumsbegegnungen. Konzerte und der Tag der Jugend, der im Oktober 2021 im Kloster stattfindet. Hier treffen sich Jugendliche aus der Region. Es wird gerappt, sich mit den Mönchen ausgetauscht – und es werden Rosenkränze geknüpft.

Der Band als Ganzes zeigt die vielen Facetten von Mariastein: im Gestern, Heute und im perspektivischen Morgen. Und er macht Lust auf mehr. Die zahlreichen Fotos des Klosters, der Umgebung und der Gäste motivieren dazu, Mariastein zu besuchen. Der Frühling ist da – und vielleicht ist es Zeit, auf dem Rennrad mal wieder die eigene Askese im Leimental auszutesten.

Der erste Band der Mariasteiner Schriften «Willkommen daheim: Das Kloster Mariastein im Gedenkjahr 2021/22» ist im Herausgeber-Verlag erschienen und kostet 38 Franken. (kath.ch)