«Gewalt und Sterben in der Ägäis»: «Mare Liberum» kritisiert Frontex

Die Flüchtlingshilfsorganisation «Mare Liberum» wirft der EU einen Dauerzustand von Menschenrechtsverletzungen im Mittelmeer vor. In der Ägäis seien illegale Pushbacks durch europäische Grenzbeamte «inzwischen eine alltägliche Praxis von Menschenrechtsverletzungen gegen Flüchtende», heisst es im «Pushback Report 2021» der Organisation. Er wurde am Donnerstag in Berlin veröffentlicht. Das gewaltsame Zurückdrängen von Schutzsuchenden über eine Grenze verstosse gegen das Völkerrecht und beraube Menschen ihres Rechts auf Asyl.

Fast 5’000 Menschen auf Rettungsinseln zurückgelassen

Trotz internationaler Kritik habe sich die Anzahl der dokumentierten Pushbacks im Jahr 2021 im Vergleich zu 2020 kaum verringert, erklärte «Mare Liberum», ohne konkrete Zahlen zu nennen. 2020 hatte die Organisation nach eigenen Angaben rund 9’000 illegale Pushbacks in der Ägäis registriert.

In dem neuen Report wirft die Flüchtlingshilfsorganisation der EU eine «Normalisierung dieser Verbrechen» vor. Berichtet wird unter anderem über das systematische Aussetzen von Geflüchteten auf Rettungsinseln im offenen Meer durch die griechische Küstenwache. Insgesamt seien 2021 fast 5’000 Menschen auf Rettungsinseln in türkischen Gewässern zurückgelassen worden.

Folter durch Sicherheitsbeamte

Dieses Rettungsutensil werde entgegen seiner Bestimmung als Waffe gegen Menschen auf der Flucht eingesetzt, erklärte «Mare Liberum». Ein Aufenthalt in den nicht steuerbaren, häufig überfüllten Gummiflössen werde von Überlebenden als traumatisch beschrieben, da sie meist über viele Stunden einen Zustand der Todesangst erlebten.

Zudem sei seit Anfang 2021 mehrfach beobachtet worden, wie griechische Behörden in der Nähe der türkischen Küste Geflüchtete von Booten ins Meer geworfen hätten. Dabei seien mindestens vier Menschen gestorben. Auch würden Flüchtlinge, die bereits die griechischen Inseln erreicht hatten, illegal zurück in türkische Gewässer gebracht. Neben der Anwendung von Gewalt und Demütigungen hätten Augenzeugen den Einsatz von Folter durch Sicherheitsbeamte bestätigt.

Keine realen Konsequenzen

«Der Report macht deutlich, dass den ausführenden Organen der griechischen Küstenwache und Frontex keine realen Konsequenzen drohen. Anstatt einer Verfolgung dieser Verbrechen wächst das Bestreben mehrerer EU-Mitgliedsstaaten, Pushbacks zu legalisieren», heisst es in dem Bericht.

«Solange die EU keine wirklichen Anstrengungen unternimmt, diese Menschenrechtsverletzungen aufzuklären, zu ahnden und zu verhindern, braucht Griechenland dringend einen unabhängigen Überwachungsmechanismus an seinen Grenzen», forderte Saskia Berger von «Mare Liberum», eine der Autorinnen des Berichts. 

Zudem sei es nur mit sicheren Fluchtwegen möglich, «die Gewalt und das Sterben in der Ägäis, dem zentralen Mittelmeer und an allen anderen EU-Aussengrenzen zu verhindern». (kna/kath.ch)