Karin Keller-Sutters Fegefeuer: Warum Bundesrat und Gesellschaft die Verfehlungen der Banker ausbaden müssen

Die Credit Suisse (CS) gehört zu den 30 sytemrelevanten Banken der Welt. Also zu denjenigen Banken, deren Kollaps eine globale Kettenreaktion auslösen kann. Wie die Pleite der Lehman Brothers vor 15 Jahren. Aber die Credit Suisse ist schon lange eine Wackelkandidatin. Denn Missmanagement und Verlustgeschäfte blieben ohne nennenswerte Konsequenzen.

In den letzten 20 Jahren hat die Bank insgesamt 42 Milliarden Franken an Boni ausbezahlt. Schlechtes Management wurde mit absurd hohen Boni vergoldet. Keiner war verantwortlich und niemand griff ein. Staatliche Regulierungen sind im Neoliberalismus out. Ausser es geht um Bankenrettung.

Geboren aus Verzweiflung: ein Monster

Ende der vergangenen Woche zeichnet sich ab, dass die CS den Börsenstart am Montag nicht überleben würde. Die globale Finanzwelt wird aktiv. New York, London, Bern. Sitzung folgt auf Sitzung. Am Sonntagabend gibt die Schweizer Regierung die Rettung der CS bekannt. Abgesichert mit staatlichen Krediten und Garantien im Wert von 309 Milliarden Franken fusioniert die CS mit der UBS.

Die zwei grössten Schweizer Banken, jede für sich allein systemrelevant, werden zu einer Mega-Bank. Um die globalwirtschaftlichen Verwerfungen abzuwenden, welche der Zusammenbruch der Grossbank CS mit sich bringen würde, hat man eine Bank gegründet, die noch grösser ist, noch systemrelevanter. Laut NZZ ist damit «ein Zombie weg, doch ein Monster» erschaffen.

Ein unberechenbares Risiko

Wie ZEIT online berichtet, kommt die neue Schweizer Mega-Bank auf eine Bilanzsumme von 1,5 Billionen Franken. Zum Vergleich: das Bruttoinlandsprodukt der gesamten Schweiz lag 2022 bei 771 Milliarden Franken. Anders gesagt: die gesamte Volkswirtschaft der Schweiz erwirtschaftet in einem Jahr etwa die Hälfte des Wertes der neuen Mega-Bank.

Eine solche Wirtschaftskonzentration in einer einzigen Institution ist gefährlich. Und gesetzlich nicht vorgesehen. Daher greift der Bundesrat zum Notrecht. Die entsprechenden Gesetze sollen in den nächsten Monaten angepasst werden. Aber auch neue Gesetze werden nichts daran ändern, dass am Zürcher Paradeplatz demnächst eine Monsterbank steht. Sollte diese jemals kollabieren, wären die Konsequenzen nicht abzusehen – für die Schweiz und die Welt.

Banken haben keine Ethik

Sicher, der Bundesrat hatte am Wochenende nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera: Zwischen Verstaatlichung und staatlich abgesicherter Fusion. Aber sich hinter dem Notmoment zu verstecken, greift zu kurz. Es hätte gar nicht dazu kommen dürfen. Gleiches gilt für das jetzt (wieder)beginnende mediale Kopfschütteln über die fehlende Ethik des Bankenwesens.

Banken haben keine Ethik. Hatten sie noch nie. Nicht bei den Börsencrashs von 1929, 1987, oder 2008. Und auch 2023 haben sie das nicht. Der moderne Kapitalismus, besonders der börsennotierte, denkt kurzfristig. Er muss Gewinne generieren. Egal wie. Das ist unsympathisch und oftmals moralisch verwerflich. Aber es ist systemimmanent. Ethisches Gebaren einer Bank zu erwarten, ist wie zu hoffen, dass meine Katze Vegetarierin wird: wesensfremd.

Nur im Paradies geht es ohne Regulierung

Und weil es nicht von innen kommen kann, muss es von aussen geregelt werden. Menschliche Gemeinschaften haben sich immer Regeln gegeben. Und anstelle sie mit Boni abzugelten, haben sie Regelverstösse sanktioniert. Für den ersten christlichen Staatstheoretiker, Augustinus, war klar, dass Gesetze und Staat unabdingbar sind. Nur im Paradies und einer Gemeinschaft aus Heiligen wäre ein Zusammenleben ohne Gesetze und ohne regulierenden Staat möglich.

Die moderne Wirtschaft kann nicht ohne Banken. Wie zwingend aber deren Regulierung ist, hat die Welt zuletzt 2008 gesehen. Und schon wieder vergessen. Die in der Folge der letzten Krise erlassenen «Too-Big-to-Fail-Bestimmungen» haben beim CS-Fall nicht gegriffen. Stattdessen muss wackeliges Notrecht den Eingriff der Regierung legitimieren.

Augustinus spricht mit Keller-Sutter

Die Idee, dass es ohne oder mit nur wenigen Regeln gehen könnte, hätten Staatstheoretiker von Augustinus bis Rousseau als absurd abgelehnt. Genauso wie die Vorstellung, dass menschengeschaffene Systeme aus eigenem Antrieb moralisch agieren.

Es ist durchaus ein amüsantes Gedankenspiel, zu überlegen, was Augustinus einem CS-Banker oder einer sich bedauernd äussernden Keller-Sutter zu sagen hätte. Wahrscheinlich wären es sehr klare Worte. Klarer als sie bei der gestrigen Pressekonferenz gefallen sind. Dort war weder von Risiken noch von Konsequenzen die Rede. Nur viel von Bedauern seitens des Bundesrats. Und verantwortlich ist natürlich niemand. (kath.ch)