Papst Franziskus bekommt nun einen Gegenspieler im eigenen Land

Noch weit nach Mitternacht versammelten sich die überwiegend jungen Anhänger von Javier Milei am weltberühmten Obelisken in der Hauptstadt Buenos Aires und feierten den unverhofft klaren Sieg des libertären Ökonomen. «Libertad, Libertad» (Freiheit, Freiheit) hallten Sprechchöre über den Asphalt.

«Anarcho-Kapitalist»

Der «Anarcho-Kapitalist» hat es tatsächlich geschafft und das bisherige politische System aus klassisch Konservativen und eher linksgerichteten Peronisten gesprengt. Er selbst bezeichnete sich am Abend als erster «libertärer Präsident» weltweit.

In den internationalen Medien wird er mal als ultrarechts, ultraliberal, rechtspopulistisch oder rechtsextrem bezeichnet. Er selbst erklärte die individuelle Freiheit jedes Einzelnen, den Schutz des Privateigentums und den freien Handel zu den Leitlinien seines Handelns.

55,7 Prozent der Stimmen

Überraschend deutlich mit 55,7 Prozent setzte sich der Kandidat der radikal-marktliberalen Partei «La Libertad Avanza» (Die Freiheit schreitet voran) nach Auszählung von 99,3 Prozent der Stimmen gegen den linksperonistischen Wirtschafts- und Finanzminister Sergio Massa (44,3) durch, der am Abend schon vor Bekanntgabe des offiziellen Endergebnisses seine Niederlage einräumte und seinem Kontrahenten zum Wahlsieg gratulierte. In einer ersten Reaktion lud Milei am Abend «alle, die mithelfen wollen» ein, seine Regierung zu unterstützen.

Jahresinflation von 143 Prozent

«Heute beginnt der Wiederaufbau Argentiniens» rief der gewählte Präsident seinen jubelnden Anhängern zu. Zugute kommt ihm die wirtschaftliche Situation: Das zweitgrösste Land Südamerikas wird von einer Jahresinflation von 143 Prozent und einer Armutsrate von rund 40 Prozent erschüttert. Landesweit konnte sich Milei nun in fast allen Provinzen durchsetzen. Umfragen hatten vor dem Sonntag noch mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen gerechnet.

Kirchenspitze scharf kritisiert

Im Wahlkampf spielte auch Mileis Verhältnis zu Papst Franziskus eine zentrale Rolle. In der Vergangenheit hatte der Wirtschaftswissenschaftler den Argentinier an der Kirchenspitze scharf kritisiert, weil er nicht entschieden genug den Sozialismus und die Gewalt der Linksautokratien Kuba, Venezuela und Nicaragua verurteile.

«Messianischer Clown»

Franziskus wiederum warnte vor der Wahl, ohne Milei namentlich zu erwähnen, vor «messianischen Clowns», die an den Rattenfänger von Hameln erinnerten. Von Seiten der Argentinischen Bischofskonferenz gab es nach dem ersten Wahl-Durchgang zudem Kritik am Zusammengehen des konservativen Lagers mit der libertären Bewegung, weil diese genau wie «Öl und Wasser» nicht zusammenpassen würden.

Nach dem ersten Durchgang war das libertäre Lager von Milei ein Bündnis mit der unterlegenen konservativen Drittplatzierten Patricia Bullrich und Ex-Präsident Mauricio Macri eingegangen – ein wichtiger Schritt zum Wahlerfolg, wie sich nun zeigte.

Armenpriester warnten vor Milei

Auch Argentiniens Armenpriester warnten vor Milei, weil sie von ihm einen sozialen Kahlschlag und eine eiskalte neoliberale Politik befürchten. Milei will in dem völlig überschuldeten Land die Staatsausgaben kürzen, die Wirtschaft und den Staat entbürokratisieren und deregulieren und den Peso als Währung durch den US-Dollar ersetzen.

Mit Milei hat Papst Franziskus nun ausgerechnet in seinem Heimatland einen Präsidenten, der vieles, aber nicht alles kritisiert, was der Papst für richtig hält. Übereinstimmung gibt es etwa in der ablehnenden Haltung gegenüber Schwangerschaftsabbrüchen. Milei hatte zu dem Thema ein Referendum ins Gespräch gebracht.

Zuletzt hatte er mit Blick auf Wähler in der Mitte den Ton gegenüber Franziskus gemässigt: «Aber das ist wenig glaubwürdig, wenn man sieht, was er zuvor gesagt hat: Der Papst sei ein Kommunist, er sei ein Jesuit, der den Kommunismus fördert», sagte Pater Martin Maier vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat in einem Interview mit dem Kölner Domradio.

Reist Papst jetzt noch in seine Heimat?

Interessant sind die erwartbaren Spannungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Argentinien vor allem vor dem Hintergrund einer möglichen Reise von Franziskus in sein Heimatland. Der Papst selbst hat wiederholt gesagt, dass er sich einen solchen Besuch vorstellen könne. Eine offizielle Bestätigung aus dem Vatikan gibt es dafür jedoch bislang nicht. Unter anderem wird die angeschlagene Gesundheit des Papstes immer wieder als Grund gegen derart anstrengende Auslandsreisen angeführt. (kath.ch)

Zwar hatte Milei seinerseits noch kurz vor der Stichwahl seinen Ton etwas geändert und angekündigt, den Papst im Falle eines Besuchs «mit allen Ehren eines Staatsoberhauptes, aber auch mit allen Ehren als Oberhaupt der katholischen Kirche» empfangen zu wollen. Dennoch dürften die bisherigen Differenzen die Reise kaum wahrscheinlicher machen. (kna)