Luzerner Theologe: Integration ist Langstreckenlauf mit viel Dickicht

Ich bin sehr erstaunt, dass Papst Franziskus keine breitere Zulassung zu Weiheämtern sieht. Ist dies sein letztes Wort? Wird dadurch nicht ein weiterer Stolperstein allen in den Weg gelegt, die sich einer neuen Kultur der Zusammenarbeit auf allen Ebenen der Weltkirche verschrieben haben? Der Weg zur gegenseitigen Integration aller Getauften und Gefirmten ist seit den Tagen des Zweiten Vatikanums zu einem Langstreckenlauf durch viel Dickicht geworden.

Wird mit der Stellungnahme von Franziskus nicht verdrängt, was etwa das Werk des Konzilstheologen Yves Congar dokumentierte, indem dieser die wichtige historische Aufarbeitung der Rolle von sogenannten Laiinnen und Laien, also Personen im Volk geleistet hatte?

Dinge auf den Punkt bringen

Nach dem Konzil gelang es diesem Dominikanerpater erneut, die Dinge auf den Punkt zu bringen, so 1982 in Gedanken über «die Theologen, das Pastoral-Konzil und die Theologie». Im Kern forderte Congar ein «trinitarisches Modell» der Kirche. Nicht bloss «paternal», was zu patriarchalisch-paternalistisch geprägter Autorität führt. Nicht bloss «christologisch», was die pyramidenhaft-klerikale Sicht betont.

Sondern auch ein «pneumatologisches» Modell, das «die Beteiligung aller Christinnen und Christen am Aufbau des Leibes Christi und ein Regime von synodalem Typus (Räte usw.) grundlegt». Congar hielt sich an Paul VI., welcher am 6. Juni 1973 zum Ausdruck brachte: «Auf die Christologie und zumal die Ekklesiologie des Konzils müssen ein neues Studium und ein neuer Kult des Heiligen Geistes folgen als unerlässliche Ergänzung der Lehre des Konzils.»

Vom «Bleigewicht der Vergangenheit» befreien

Congar hatte es verstanden mit seinen theologischen Arbeiten vom «Bleigewicht der Vergangenheit» zu befreien. Ihm war bewusst, dass das Konzil «auf halbem Weg stehen geblieben» war. Damit steht auch 60 Jahre nach Konzilsbeginn eine Transformation an. In einem Wort ein gemeinsames Aufbrechen vor Ort, bei der Not der Menschen und bei ihrem je eigenen Potential.

20 Jahre nach Konzilsbeginn fasste dies wiederum Yves Congar in die Worte: «Die Orte des Theologietreibens haben gewechselt: Die Laien halten weitgehend Einzug, die Frauen sind nach und nach auch dabei. Aus all dem Gesagten erhellt, dass das Konzil nicht ein Abschluss, sondern eine Etappe ist.» Zur nächsten Etappe aufbrechen braucht nun aber mehr als das Aufstellen alter Verbotstafeln. Darum geht es nun an diesem epochalen Wendepunkt der christlichen Gemeinden in multireligiöser und von Krisen geschüttelter Gegenwart. 

Was der Geist den Gemeinden sagt

Es bleibt zu hoffen, dass der Kirchenleiter das Unterscheiden nicht übertreibt und der Versuchung erliegt, zu überhören, was der Geist den Gemeinden sagt. Im Buch der Offenbarung findet sich siebenmal dieselbe Aufforderung. Mit Verlaub gefragt: Ist dies für ein effektives Unterscheiden nicht der alles entscheidende Wink? «Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt…» (Offb 2)

Was in 2,17 gesagt ist, schlage ich den Verantwortlichen in der Kirche als Leitidee vor, denen daran liegen sollte, dass die Menschen zum «verborgenen Manna» finden: «Wer siegt, dem werde ich von dem verborgenen Manna geben. Ich werde ihm einen weissen Stein geben und auf dem Stein steht ein neuer Name geschrieben, den nur der kennt, der ihn empfängt.»

In dieser Intimität gilt dann nicht mehr eine in der Spitze konzentrierte Definitionsmacht darüber, wer allein die Dienste in den Ferien des Glaubens übernehmen darf. Überwunden wäre auch das Korsett einer männerdominierten Ämterstruktur seit den Tagen des Tridentinischen Konzils.

Kirchenrechtsnormen dringend überdenken

Schliesslich bedarf es das dringende Überdenken von Kirchenrechtsnormen, welche die Ebenen der Kirchenleitung und des Volkes Gottes in den Gemeinden starr auseinander dividieren. Es wird dabei helfen können, die Sache mit der Leitungsgewalt vertiefter zu reflektieren. Im Anschluss etwa an Jan Philipp Reemtsma läge ein Konzept der «Partizipationsmacht» nahe, welchem rechtliche Ausgestaltungen inhärent sind.

Reemtsma versteht solche Macht als eine, die auf Vertrauen setzt und «das konsensuelle Moment, ohne das Macht sich nicht entfalten kann, selbst als Ausdruck von Macht» erkennt. Ein derartiges Suchen nach Konsens ermöglicht der Vorschlag des synodalen Weges in Deutschland, künftig einen breit abgestützten Synodalen Rat zu schaffen.

In spezifischer Weise hält dies die Vereinbarung der Schweizer Bischofskonferenz mit der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz vom 11. Dezember 2015 in Artikel 10 fest: «SBK und RKZ befassen sich frühzeitig und proaktiv mit Veränderungen in der Kirche und in ihrem Umfeld. Sie entwickeln eine gemeinsame Haltung, wie sie auf diese Veränderungen reagieren wollen und legen strategische Ziele und Schwerpunkte fest.» Warum nicht darauf zurückkommen und das Postulat einer Neu-Regelung der sakramentalen Dienste für Frauen und Männer, die sich im kirchlichen Dienst bewährt haben in die Weltsynode einbringen? (kath.ch)

*Stephan Schmid-Keiser ist Liturgiewissenschaftler und Theologe und wohnt in St. Niklausen LU